top of page

Flavia Frigeri: Frauen in der Kunst

  • Autorenbild: Martina Nommsen
    Martina Nommsen
  • 21. Apr. 2024
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 21. März


Flavia Frigeri, Frauen in der Kunst, erschienen in der Art Essentials-Reihe in der Midas Verlagsgruppe
Coverbild Flavia Frigeri: Frauen in der Kunst

Als «klein, schlau, essenziell» beschreibt sich die Buchreihe Art Essentials der Midas Verlagsgruppe und positioniert sich als ideale Begleitung «für alle, die Kunst lieben und mehr wissen wollen».

Kann sich dieses Versprechen erfüllen? Wieviel Hintergrundwissen diese kompakten Formate wirklich liefern können, schauen wir uns an Flavia Frigeris Veröffentlichung Frauen in der Kunst an.

Bereits 2019 erschien dieser Band unter dem Originaltitel Women Artists bei Thames & Hudson Ltd., London und verspricht auf über 170 Seiten eindrückliche Informationen zu insgesamt 57 herausragenden Künstlerinnen und Kollektiven, die in dem Zeitraum von 1552 bis 1985 lebten oder gegründet wurden.

 


Die Autorin Dr. Flavia Frigeri arbeitete als Kunsthistorikerin und Kuratorin unter anderem für die Tate Modern in London und aktuell für die National Portrait Gallery und unterrichtete im Fachbereich Kunstgeschichte am University College London. In den Art Essentials erschienen von Flavia Frigeri Frauen in der Kunst und Pop Art.

 

Bereits der innere Klappentext sowie die kurzweilige Einführung greifen die wichtige Thematik des Buches präzise und schnörkellos auf. Es handelt sich um ein Thema, das auch fünf Jahre nach Erstveröffentlichung der Publikation leider nichts an Bedeutung eingebüsst hat:

Die Positionierung der Frau innerhalb des Kunst- und Kulturbetriebes (durch den Mann) und die männliche geprägte Kunstgeschichte.

 

Nackte Frau mit Gorillamaske auf einem Stoff liegend.
(GUERRILLA GIRLS (Gründung 1985) Do Women Have to Be Naked to Get Into the Met Museum?, 1989 Aus: Portfolio Compleat. 1985 – 2012 + 2012 – 2016 Lithographie auf Tonpapier Kunstmuseum Basel, Kupferstichkabinett, Ankauf 2019 © Guerrilla Girls)

Die Kunstgeschichte, wie wir sie heute kennen, wurde von einem männlichen Blick für ein männliches Publikum konstruiert. Dieses Konstrukt besteht weiter fort, indem auch heute noch deutlich mehr männliche Künstler in Ausstellungen vertreten sind, eine sehr viel höhere Zahl Werke männlicher Künstler für Sammlungen angekauft und zugleich hochpreisiger gehandelt werden. Wie erwartet verweist Frigeri auf das Ausstellungswerk Do Women Have to Be Naked to Get Into the Met Museum? (1989) des revolutionären Künstlerinnenkollektivs Guerilla Girls, welches genau diese Schieflage in der Kunstwelt thematisiert.

 

Zu Recht verweist Frigeri ebenfalls in ihrer Einleitung auf die amerikanische Kunsthistorikerin Linda Nochlin, die 1971 in ihrer wegweisenden Publikation Why have there been no great women artists? genau diese Frage stellt.


Entspricht dies der Realität? Gab es einfach keine wegweisenden Künstlerinnen? Flavia Frigeri zeigt deutlich auf, dass es sehr wohl bedeutende Künstlerinnen gab, diese jedoch über Jahrhunderte hinweg in ihrer Sichtbarkeit von männlichen Zeitgenossen eingeschränkt wurden und allein in ihrer Funktion als Modell Bedeutung erhielten. Die künstlerische Arbeit der weiblichen Kunstschaffenden innerhalb namhafter Werkstätten wurde zumeist negiert oder den männlichen Kollegen zugesprochen. Die Künstlerin selbst blieb anonym oder musste unter einem männlichen Pseudonym arbeiten.

 

Frigeris Schreibstil, bzw. die Übersetzung durch Claudia Koch und Kathrin Lichtenberg liest sich klar und präzise und offeriert sprachlich eine gut verständliche Basis sowohl für noch unerfahrene Kunstinteressierte auf diesem Gebiet als auch diejenigen, die ihr Wissen thematisch vertiefen möchten.

 

Die ausgewählten Künstlerinnen versammeln sich in fünf Überblickskapiteln:

-       Neue Wege beschreiten

(Künstlerinnen, die zwischen 1550 und 1850 geboren wurden)

-       Pionierinnen der Avantgarde

(Künstlerinnen, die zwischen 1860 und 1899 geboren wurden)

-       Triumph und Trübsal

(Künstlerinnen, die zwischen 1900 und 1925 geboren wurden)

-       Klischees hinterfragen

(Künstlerinnen, die zwischen 1926 und 1940 geboren wurden)

-       Zeitgenössische Perspektiven

(Künstlerinnen, die zwischen 1942 und 1985 geboren wurden)

 

Unter den informativen Kapitelüberschriften werden die ausgewählten Künstlerinnen mit ihren Lebensdaten aufgelistet. Diese Form der Strukturierung ermöglicht eine zielstrebige Suche nach Frauen, Kunstepochen und Zeitgenossinnen. Neben heutzutage meist bekannten Persönlichkeiten wie Berthe Morisot, Mary Cassatt, Hilma af Klint, Paula Modersohn-Becker, Frida Kahlo und Louise Bourgeois, Judy Chicago, Yoko Ono, Cindy Sherman und Tracey Emin werden auch, aus meinem Kenntnisstand heraus gesehen, weniger bekannte Künstlerinnen thematisiert und so endlich in das Zentrum der Kunstgeschichte integriert, darunter Ljubow Popowa, Gego, Joan Jonas und Graciela Iturbide.

Die Künstlerinnen selbst werden in informativen Kurzbiographien vorgestellt, angereichert mit spannenden Zitaten, Ausstellungstätigkeiten, oftmals einer kurzen Benennung prägnanter Werke, einen Abschnitt mit zumeist zwei wichtigen Lebensereignissen sowie mindestens einer aussagekräftigen Werkabbildung.

 

So erfahren wir, dass Clara Peeters gerne kleine Selbstporträts in ihre Stillleben einarbeitete, Ljubow Popowa ihre Kunst als «architektonische Malerei» bezeichnete und dass Amrita Sher-Gils gesamte Familie mit ihr von Indien nach Paris zog, um ihre künstlerische Ausbildung zu unterstützen.

 

Auch der hintere Teil der Publikation verspricht weiterführende Informationen für interessierte Leser*innen. Neben einer zweiseitigen, übersichtlichen Timeline mit wichtigen feministischen Ereignissen findet sich hier ebenfalls ein Glossar mit Kurzerklärungen zu verwendeten Fachbegriffen wie «Nouveau Réalisme», «Surrealismus» oder «Caravaggisten». Die aufgeführten Literaturempfehlungen verweisen gebündelt auf einer Seite auf weitere Publikation, die sich thematisch mit Feminismus und der Rolle der Frau innerhalb der Kunst- und Kulturgesellschaft auseinandersetzen.


Den Abschluss bildet ein, ich zitiere: «Index der Künstler». Gerade bei dieser explizit thematischen Buchreihe hätte ich mir an dieser Stelle eine gegenderte oder zumindest neutrale Form des Sprachgebrauchs gewünscht. Dies bleibt aber der einzige wesentliche Kritikpunkt.

Tatsächlich bietet dieses Art Essential einen sehr soliden und, trotz oder gerade wegen des überschaubaren Umfanges, eine auserlesene Wahl an einflussreichen Künstlerinnen, so dass ich mich überzeugt dem Zitat von Jessica Morgan auf dem hinteren Buchdeckel anschliessen kann: «Ein ausgezeichneter Überblick über wichtige internationale Künstlerinnen. Diese bedeutenden Frauen sollten in keiner Kunstgeschichte fehlen, und dieses Buch schreibt sie gerade neu.»

 

(Nicht nur) Für Kunstneulinge und Kunstinteressierte mit vertiefenden Informationen zu namhaften Künstlerinnen, die neu und wieder entdeckt werden dürfen und müssen. Dieser Band bietet sowohl einen wunderbaren Einstieg in die weibliche Kunst- und Kulturwelt, ermöglicht durch die gezielte Strukturierung gute Suchoptionen und lädt gleichsam zum Durchlesen wie auch zum Blättern ein.


 

Weitere Informationen zu der Art Essentials-Reihe findet ihr auf www.artessentials.de oder www.midascollection.com

 

Es handelt sich hierbei um eine unbezahlte, unabhängige Rezension und die Wiedergabe meiner persönlichen Meinung; das Buchexemplar wurde privat erworben.

 

 

Comments


© 2025 Martina Nommsen

Alle Rechte vorbehalten.

Alle Texte auf dieser Homepage dürfen in Gänze oder in Auszügen nur mit meiner schriftlichen Genehmigung weiterverwendet werden. 

bottom of page