Pipilotti Rist: Pixelwald Turicum, Kunsthaus Zürich
- Martina Nommsen
- 14. Apr. 2024
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 26. März

Vor diesem Rundbogen fühle ich mich fast wie Alice im Wunderland. Über seiner Arkade schwingt sich der verspielte Schriftzug «Eingang · entrane».
Vor mir liegt ein schwach beleuchteter Gang ausgelegt mit rotem Teppich und mit gepolsterten Seitenwänden.
Ich sehe nichts aber höre viel. Musik, zartes Kinderlachen, frühlingshaftes Vogelzwitschern. Als ich um die Kurve biege, werde ich plötzlich Teil einer Installation, die alle meine Sinne anspricht.
Elisabeth Charlotte Rist, die sich seit einigen Jahrzehnten Pipilotti nennt, ist wohl die bekannteste Videokünstlerin der Schweiz. Nach Studien an der Hochschule für Angewandte Kunst in Wien und der Schule für Gestaltung in Basel konzentriert sie sich in ihren Werken auf wiederkehrende Themen wie Körper und Sinnlichkeit sowie die gesellschaftliche Stellung der Frau. Die Künstlerin zeigt dies mit monumentalen Installationen, mit der einprägsamen und in Co-Abhängigkeit stehenden elementaren Verwendung von Licht, Farbe und Ton.
Nach ihrer beeindrucken Retrospektive «Dein Speichel ist mein Taucheranzug im Ozean des Schmerzes» im Kunsthaus Zürich (Was für ein grossartig poetischer Ausstellungstitel!) erscheint die Videoinstallation Pixelwald Turicum von Pipilotti Rist als eigenständiges Werk im Chipperfield Bau auf der Ebene der Sammlung Merzbacher.
Aber was sehen wir eigentlich? Was erleben wir? Was fühlen wir?
Das darf und muss jede*r Besucher*in für sich selbst herausfinden, denn das Erleben dieser Installation ist faszinierend individuell.
Was verrät uns der Name der Installation?
Pipilotti Rist nennt das Werk im Kunsthaus Zürich Pixelwald Turicum. Ein Wald, der sich aus 3000 beleuchteten Glaskörpern zusammensetzt. Jeder einzelne repräsentiert einen aus dem Gesamtbild losgelösten Pixel.
Turicum ist die lateinische Bezeichnung für einen Personennamen und lässt sich im (vor-) keltischen Sinne mit «Ort des Turo» übersetzen. Es handelt sich um die älteste Bezeichnung für einen Ort, der sich zur römischen Zeit im Zentrum des heutigen Zürichs befand. Aus diesem Ortsnamen hat sich mit der Weiterentwicklung der Lautsprache der heutige Stadtname Zürich ergeben.
Wir stehen also in einem Zürcher Pixelwald – in einem schillernder Pixelwald, der sich einer kontextualisierten Zuordnung entzieht und das Zusammensetzen dieser Einzelpixel zu einem grossen Ganzen verweigert. Unmöglich können wir das Gesamtkonstrukt wahrnehmen, vielmehr konzentrieren wir uns auf einzelne Elemente, nehmen Farbschattierungen, Farbnuancen und Farbwellen dar, die sich über die bauchigen Kristallmuscheln und deren haptische Oberflächenstruktur ziehen, die mensch so gerne berühren möchte. Wie fühlt es sich an? Ist es hart? Rund? Kalt oder warm?
In Korrelation zu Musik und Licht treten die Leuchtdioden als individuell bespielbare Gestaltungselemente hervor – unterstreichen mit ihrer Farbwahl die pulsierenden Töne der Musik, führen geschmeidig eine Melodie fort, verwandeln den Raum in ein rotes oder grünes FarbenMeer.
Pipilotti Rist *1962
Pixelwald Turicum
2021
Videosystem, LED’s in Kristallmuscheln
Steuergeräte, 15 Min-Loop
Produktion:
Kaori Kuwabara
Audio:
«Farben aus meinen Händen», Seraphin Basedau
«Maasai», Surma, Omnichords Records
«Show a leg», Roland Widmer & Anders Guggisberg Edit, Remix & Sound Design: Roland Widmer
Es handelt sich um einen unbezahlten, unabhängigen Beitrag und die Wiedergabe meiner persönlichen Meinung.
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