STAUBFRAU
- Martina Nommsen
- 21. Jan.
- 2 Min. Lesezeit

VON MARIA MILISAVLJEVIĆ
AUFTRAGSWERK FÜR DAS SCHAUSPIELHAUS ZÜRICHREGIE: ANNA STIEPANI
Achtung:
Für diese Inszenierung besteht eine Triggerwarnung. Die Inszenierung thematisiert Gewalt an Frauen und Feminizid. Sie beinhaltet explizite Beschreibungen von sexualisierter, psychischer und körperlicher Gewalt.
Bitte lest diese Rezension nur, wenn ihr euch sicher und wohl fühlt.
Wir sehen:
Eine Küchenzeile. Zwei Stühle. Eine Waschmaschine. Ein glänzender Boden. Vereinzelt Bäume. Eine sich umarmende, sich hin und her wiegende Frauenfigur.
Wir hören:
Eine weibliche Stimme aus dem Off, ein gesummtes Wiegenlied.
Drei Generationen von Frauen treffen sich an diesem weiblich konnotierten Ort der häuslichen Verbannung. Drei Frauen unterschiedlicher Generationen, mit differenten Alltagsabläufen und gesellschaftlichen Erwartungshaltungen.
Sie alle sind miteinander durch das Los der Weiblichkeit verbunden, durch das Leid unter den patriarchalen Strukturen der Gesellschaft. Die häusliche Gewalt, die sich in den geschlossen Räumen hinter verschlossenen Türen nicht ausschliesslich in physischer, sondern oftmals in unsichtbarer, psychischer Form offenbart.
Scheinbar belanglose Geschichten werden hier erzählt und auf höchst poetische Weise miteinander verflochten. Trotz ihrer Banalität lösen sie Gänsehaut aus. Ein kaltes Flimmern der Härchen auf den Armen und im Nacken. An manchen Stellen ein wissendes Schmunzeln oder ein trauriges Lachen. Der Fluss wirbelt und tobt, ist zugleich ruhig und klar und birgt seine Geheimnisse wie das rote Fahrrad oder die glänzende Halskette.
Maria Milisavljević versammelt in ihrer Geschichte die Sichtweisen drei unterschiedlicher Generationen, die das Stück äusserst erlebbar und spürbar inszenieren. Sätze wie «Reiss dich mal zusammen», «da hast du dich sicher verhört» und «aber er ist doch so nett» unterstützen die eigenen Selbstzweifel, das eigene Sich-in-Frage-stellen und die enorme Verzweiflung innerhalb der Situation, das Gefühl, unter den nicht erfüllbaren Anforderungen zusammenzubrechen.
«Bringe ich ihn um? Oder soll ich lieber mich selbst töten?».
Was passiert, wenn sich die Staubfrau aus dem Staub erhebt? Wenn sie ihren inneren Monolog beendet und die nagenden, immerwährenden Selbstzweifel verstummen lässt? Fällt sie? Oder steht sie? Allein oder gemeinsam?
Das beängstigende Bewusstsein, sich in ähnlichen Situationen wiederzuerkennen, die Hilflosigkeit gegenüber der scheinbar allmächtigen Stärke der patriarchalen Gesellschaft, die gesäten Selbstzweifel und das starke Mitgefühl mit den Geschichten der Schauspielerinnen, lässt am Ende der Vorstellung wenige Augen trocken. Spätestens als die in der Schweiz verorteten Femizide der vergangenen zwei Jahre als stumme Auflistung weiss auf schwarz über die Leinwand laufen, werden die letzten Taschentücher gezückt. Denn es ist keine fröhliche Geschichte. Es gibt kein Happy End. Es ist ein Aufruf zu einem gemeinsamen feministischen Kampf gegen die strukturelle Gewalt gegen Frauen, gegen das Patriarchat, gegen Femizide, gegen eingefahrene gesellschaftliche Rollenvorstellungen.
Unter der Regie von Anna Stiepanie erscheint das Theaterstück STAUBFRAU mit einer starken und überzeugenden Besetzung als Auftragswerk für das Schauspielhaus Zürich in der Matchbox des Schiffbaus.
STAUBFRAU
Noch bis zum 15. Februar 2025 in der Matchbox im Schiffbau zu sehen.
Mehr Infos zur Inszenierung, Tickets und Terminen findet ihr auf der Seite des Schauspielhaus Zürich
Regie:
Anna Stiepanie
Besetzung:
Nancy Mensah-Offei
Lola Dockhorn
Anita Iselin Soubeyrand
Auftragswerk für das Schauspielhaus Zürich
Unterstützt von der K.S. Fischer Stiftung Hamburg
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